top of page

Unbändige Sucht: Warum das Verlangen immer wieder zu uns zurückkommt

Was ist Sucht? Ich finde, Sucht ist gut vergleichbar mit Fastfood: Sie ist leicht zu haben und bietet uns einen billigen Ersatz für das, was wir in Wahrheit benötigen. Das geht oft eine ganze Weile gut. Auf Dauer nehmen jedoch unsere Selbstbestimmtheit und unsere Gesundheit Schaden. Was es noch mit dem Thema Sucht auf sich hat und warum es nicht funktioniert, Sucht erzeugendes Verhalten dauerhaft zu unterdrücken.


Wer Hunger hat, muss essen. Diese einfache Feststellung ist immer dann genau richtig, wenn es sich um die Befriedigung unserer Grundbedürfnisse handelt: Essen, Schlafen, Trinken, ein gewisses Maß an Sicherheit, Sexualität und das Gefühl von Geborgenheit gehören dazu.


In der Sucht geht es aber nicht um die Befriedigung eines dieser akuten Bedürfnisse. Die Sucht gaukelt unserem Kopf aber genau diese Ebenbürtigkeit, diese Normalität, vor. Wir sind leider oftmals geneigt, ihr das auch zu glauben und uns dem unbändigen Verlangen, welches sie in uns erzeugt, hinzugeben.


Dabei tut die Sucht nichts weiter, als uns einen leicht zu habenden Ersatz für das anzubieten, was wir in Wahrheit wollen und brauchen, jedoch aus irgendeinem Grund bisher nicht erreichen konnten.


Wenn uns die Sucht sehr stark im Griff hat, dann kann es sogar sein, dass wir längst vergessen haben, wonach wir in Wahrheit suchten! Mit der Zeit wird die Sucht zum Selbstläufer, denn der so genannte „Normalzustand“ ist körperlich und seelisch kaum zu ertragen, oder fühlt sich mindestens unangenehm an.


Sucht ist deshalb so erfolgreich und verführerisch, weil sie uns auch tatsächlich etwas zu bieten hat: Sie schenkt uns eine temporäre Entlastung von dem indifferenten Druck, den uns unsere wahren ungestillten Bedürfnisse aufbürden.


Frei sein, sich gehen lassen, den Kopf abschalten: All diese durchaus als positiv erlebten Effekte von Süchten sind erstaunlicherweise fast immer gleich, unabhängig vom Sucht erzeugenden Stoff, oder dem süchtig machenden Verhalten. Allein diese Feststellung sollte uns Anlass zum Nachdenken sein: Könnte es sein, dass es in Wahrheit um etwas ganz anderes geht?


Es beginnt mit einem harmlosen Feierabendbier, gegen welches für sich genommen natürlich auch nichts einzuwenden ist. Erst wenn weitere Faktoren, wie ungeklärte Konflikte mit Kollegen, oder eine ständige Überlastung auf der Arbeit hinzukommen, besteht die Gefahr zum Einstieg in ein süchtig machendes Verhalten. Findet keine Klärung des zugrunde liegenden Problems statt, kann es der Anfang eines Teufelskreis sein.


Flucht in die Sucht ist Suche nach Entlastung


Süchtigen ist meist nicht bewusst, dass sie sich in Wahrheit auf der Flucht vor sich selbst und ihren inneren Bedürfnissen befinden. Oft sind frühkindliche, unverarbeitete Traumata und unsichtbare Verletzungen die Triebfeder. Grundsätzlich geht es nahezu immer darum, unangenehme Gefühle zu kompensieren, wie etwa Schuld, oder Abwertung.


Gibt es innerfamiliäre Verbote, dieses oder jenes Bedürfnis zu stillen, wird die Flucht in die Sucht zusätzlich begünstigt. Die Befriedigung ureigener Bedürfnisse ist dann logischerweise mit aufkeimenden Ängsten verbunden.


Ein Beispiel dazu: In der systemischen Arbeit mit Klienten begegnet mir häufiger das Bild der „verbietenden und gefühlskalten Mutter“. Es ist dies eine Mutter, die Zeit ihres Lebens immer unglücklich mit sich und der Welt gewesen ist und dieses Gefühl auch ihren Kindern vermittelt hat. Sicher hat auch sie ihre eigene Geschichte und hat sogar versucht ihren Kindern trotzdem das beste mitzugeben.


Auch wenn sie es zu keinem Zeitpunkt explizit erteilt hat, fühlen ihre Kinder ein „Glücksverbot“ auf ihren Schultern lasten: Es ist verboten glücklicher zu sein, als es Mutter je war, denn alles andere würde einen Verrat bedeuten. Hochsensible Kinder spüren dies besonders intensiv. Sie neigen dazu, einen Teil der Last dem jeweiligen Elternteil abzunehmen und an ihrer Statt auszutragen. Das kann soweit gehen, dass alles, was wirkliches Glück in das eigene Leben bringen würde, von Betroffenen unbewusst bekämpft und sabotiert wird.


Leider ist es alles andere als einfach, die zugrunde liegenden, inneren Strukturen für dieses und ähnliches, selbstschädigendes Verhalten bei sich selbst zu identifizieren. Auch wenn es gelingt, so ist das rationale „Sich bewusst machen“ meist noch nicht die Lösung des Problems.


Süchte sind vollständig irrational und sie sind umso hartnäckiger, wenn sie neben einer psychischen Abhängigkeit auch eine körperliche Abhängigkeit erzeugt haben. Die rationale Bewusstmachung ist dabei nur der erste, jedoch der weitaus wichtigste Schritt auf dem Weg hin zu einer echten Veränderung, hin zu mehr echtem Lebensglück und Zufriedenheit!


Ohne die eigene, grundlegende Erkenntnis, fehlt die Basis für eine Veränderung!


Die Erkenntnis kann immer nur vom Betroffenen selbst kommen, weder Personen aus dem Umfeld, noch ein Therapeut können sie vermitteln. Sie können allenfalls begleiten und unterstützen.


Therapie und Entgiftung als nächste Schritte


Eine Therapie ist zur Behandlungen aller Formen von Sucht effektiv, um Rückfällen in altes Verhalten vorzubeugen. Es spielt keine Rolle, ob es um eine Drogensucht, Sexsucht, Kaufsucht, Esssucht, oder die Sucht nach einem Partner geht.


Besteht eine Abhängigkeit von Substanzen, also Drogen oder Alkohol, ist eine Entgiftungunter professioneller, ärztlicher Aufsicht einer Therapie voranzustellen. Mit ihr werden körperliche Entzugserscheinungen vermieden, die nicht nur gesundheitlich gefährlich werden können, sondern ebenso eine erfolgreiche Therapie verunmöglichen würden.


Auch beim Vorliegen einer Esssucht kann es erforderlich sein, der Sucht zusätzlich auf einer körperlichen Ebene zu begegnen. Ein Ernährungsberater, oder ein speziell geschulter Arzt, kommen hierfür in Frage. Zielführende Informationen gibt es bei den Krankenkassen für Interessierte.


In der Suchttherapie bietet der Therapeut als einfühlsame Instanz Unterstützung und Entlastung für seinen Klienten. Konkret kann dies bedeuten:


  • Unterstützung beim Aufbau eines neuen sozialen Umfelds

  • Erarbeiten von Strategien für eine alternative Stressreduktion

  • Bewältigung von Emotionen

  • Hilfe beim Loslösen aus toxischen Beziehungen


Eine Systemaufstellung kann einen wertvollen Einblick in die Entstehungsbedingungen des eigenen Suchtverhaltens geben


In meiner Praxis erlebe ich, dass Süchte und süchtiges Verhalten in manchen Familien häufiger vorkommen. Wohl jeder kennt das Klischee vom trinkenden Vater, dessen Söhne später auch zu Trinkern werden. Doch ganz so einfach ist es in den wenigsten Fällen. Neben diesen offensichtlichen Zusammenhängen, gibt es nämlich die weit weniger sichtbaren, weniger offensichtlichen Verstrickungen innerhalb von Familien, die Suchtverhalten begünstigen können.


Die Kaufsucht wäre ein solches Beispiel. Kern dieser Sucht ist sowohl eine diffuse Angst, nicht genug zu haben, als auch eine innere Leere, die verzweifelt mit materiellen Dingen gefüllt werden will. Gleichzeitig hat sie den Effekt, den alle Süchte miteinander gemeinsam haben. Wir erinnern uns: Das Stichwort ist Entlastung. Kaufsucht bietet kurzfristig gezielte Ablenkung und einen fast schon perfekten Ersatz zur Kompensation von verdrängten Gefühlen und Bedürfnissen, die wir auf den Bereich des Materiellen auslagern.


Süchte gedeihen auch immer dort besonders erfolgreich, wo traumatische Erfahrungen übernommen werden mussten. Die Sucht schafft einen Moment der Entlastung zum gefühlt Unaushaltbaren, sowie zu unrechtmäßig übertragenen Gefühlen, wie Schuld oder Scham.


Um die Entstehungsbedingungen einer Sucht und das eigene Suchtverhalten besser zu verstehen, ist die Systemaufstellung eine Erfolg versprechende Methode, hinter die eigenen Kulissen zu blicken. Nur wenn wir uns und unsere Motive und Gefühle verstehen, annehmen und ihnen angemessen Raum geben, können wir uns ein Leben erschaffen, in dem Süchte überflüssig werden.


bottom of page